Digitalisierung, Generation Y, ein globaler Arbeitsmarkt und vieles andere verändern die Unternehmens- und Personalführung. Neue Strategien fordern auch einen neuen Umgang mit Menschen und neue Führungsmodelle. Ein Trend ist die Einführung von Agilität in Unternehmen. Die persönliche Reife (Ich-Entwicklung) von Führungskräften und Mitarbeitenden ist entscheidend für eine erfolgreiche Umstellung auf agile Führung und selbstgesteuerte Teams.
Agilität erfordert Methoden und fordert Menschen
Organisationen und HR-Abteilungen beginnen häufig mit der Einführung von agilen Methoden und Tools, um selbstgesteuerte Teams zu fördern. Zunehmend geschieht dies auch ausserhalb von IT-Abteilungen. Vergessen geht häufig, dass das agile Manifest den menschlichen Faktor vor die Methoden stellt. Dort heisst es «Individuen und Interaktionen haben Vorrang vor Prozessen und Werkzeugen». Im Klartext heisst das «People over Process».
Unternehmen konzentrieren sich heute oft auf die Einführung von agilen Methoden wie Scrum, Kanban, Design Thinking etc. und fokussieren damit auf Fähigkeiten und Kompetenzen, «Process over People». Albert Einstein sagte einmal «Es ist verrückt, die Dinge immer gleich zu machen und dabei auf andere Ergebnisse zu hoffen». Die komplexe Arbeitswelt 4.0 erfordert es, die Dinge anders zu tun und die Entwicklung der beteiligten Menschen zu fördern. Damit ist nicht das klassische Führungskräftetraining gemeint, das sich auf Skills und Kompetenzen wie Führungsstil, Kommunikation, Auftrittskompetenz und dergleichen bezieht. Gemeint ist ein holistischer Ansatz der Persönlichkeitsentwicklung, die das Denken und die Werte der Menschen mit einbezieht. Die Förderung der Fähigkeit zu Selbstreflexion, empathischem Zuhören und offenem Dialog sind hier zentral.
Aus Erfahrung wissen wir, dass die Entwicklung der Selbstführung, Selbstreflexion und Selbst-Bewusstheit in klassischen Trainingsprogrammen an ihre Grenzen stösst, da in vielen Trainingsprogrammen die Entwicklung des Selbst zu wenig vom Erlernen von Fähigkeiten unterschieden wird.
Während beim Erlernen von neuen Fähigkeiten das «WAS» unseres Denkens erweitert wird, also der Inhalt unseres kognitiven Wissens zunimmt, ändert sich bei der Selbst-Entwicklung das «WIE» unseres Denkens. Lernen, auch horizontale Entwicklung genannt, passiert, indem wir uns neue „Tools“ aneignen, weiteres Wissen anhäufen oder uns neue «Skills» aneignen. Hingegen bedeutet vertikale Entwicklung der Persönlichkeit oder auch Ich-Entwicklung, dass sich unsere ganze Sichtweise verändert, sie umfassender, tiefer und flexibler wird. Dadurch können wir auch anders mit Herausforderungen umgehen.
Die Rolle der Ich-Entwicklung
Führung im komplexen Zeitalter der Digitalisierung erfordert persönliche Reife. Diese manifestiert sich in der Ich-Entwicklung. Die Psychologin Jane Loevinger erforschte während mehr als 40 Jahren die Ich-Entwicklung von Menschen und fand dabei in ihren Daten, dass persönliche Entwicklung über verschiedene Stufen abläuft. In Ihrer Arbeit entwickelte Loevinger einen ersten Test zum Messen der persönlichen Reife. Je nach Entwicklungsstufe folgt der Mensch einer anderen inneren Handlungslogik, welche sich auch im Denken und im Umgang mit anderen Menschen manifestiert.
Die Stufen teilen sich in einen vorkonventionellen, konventionellen und postkonventionellen Bereich. Erst im späten Konventionellen und im Postkonventionellen lösen sich Menschen von den Normen ihres sozialen Umfeldes und entwickeln eigene, davon unabhängige Werte. Ihr Denken weitet sich und bezieht mehr und mehr unterschiedliche Aspekte und Perspektiven ein. Mit jeder weiteren Entwicklungsstufe billigt ein Mensch der Aussenwelt mehr Eigenständigkeit zu. Damit erhöhen sich auch die eigenen Freiheitsgrade, was tendenziell zu grösserer Gelassenheit führt.
Wirksamer führen durch postkonventionelles Denken
Menschen auf den postkonventionellen Stufen stellen zunehmend eigene Überzeugungen in Frage und sind ehrlich interessiert an anderen Gedanken, Meinungen und Ideen. Sie bewerten weniger und teilen nicht mehr in richtig und falsch ein. Dies ermöglicht es ihnen, auch ungewöhnliche Perspektiven und mehr Möglichkeiten einzubeziehen.
Weil ihre eigene Meinung fliessender wird und sich mit neuen Informationen verändern kann, können Menschen auf den postkonventionellen Stufen andere Meinungen besser integrieren, ohne in die Verteidigung oder Rechtfertigung der eigenen Ansichten zu gehen. Dadurch sind sie in der Lage, wichtige Beiträge zur Weiterentwicklung von Systemen und Menschen zu leisten. Sie begrüssen Unterschiede und Veränderung statt, wie in den Stufen zuvor, Ähnlichkeiten und Stabilität in den Vordergrund zu stellen. Dies erklärt auch, warum Führungskräfte auf postkonventionellen Stufen gerade auch in Veränderungssituationen wirksamer sind, wie verschiedene Studien belegen.
Wer Agilität im Unternehmen erfolgreich einführen möchte, sollte sich daher nicht auf die Einführung von Tools und Methoden beschränken, sondern parallel dazu die Persönlichkeitentwicklung seiner Mitarbeitenden und Führungskräfte fördern.
Mit dem I-E-Profil™ lässt sich die Ich-Entwicklungsstufe von Menschen bestimmen. In einem gezielten Coaching kann diese persönliche Entwicklung gefördert werden – Voraussetzung dafür ist die eigene Offenheit und der Wille zu persönlicher Entwicklung.
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